Süddeutsche Zeitung
29.02.2000
Ein Bericht von Alexander Pawlak
Das ideale biometrische Merkmal gibt es nicht
Stetig wächst die Zahl der Passwörter und Geheimnummern. Hilfe für vergessliche Zeitgenossen versprechen so genannte biometrische Verfahren, die Personen anhand von Körpermerkmalen erkennen. Welche Methoden sich im Alltag bewähren und wo Schwachstellen liegen, diskutierten Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Recht in Darmstadt.
Derzeit entwickeln weltweit mehr als 200 Firmen biometrische Systeme, wenn auch erst im kleinen Maßstab, berichtet Mark Lockie, Herausgeber des britischen Informationsdienstes Biometrics Technology Today. Neben statischen Merkmalen wie Fingerabdruck, Form der Hand oder dem Muster der Iris im Auge, eignen sich auch dynamische Kennzeichen wie die Stimme oder die Art zu unterschreiben. Sie alle charakterisieren Menschen eindeutig. "Und ein biometrisches Merkmal kann man nicht vergessen", betont Christoph Busch vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt. Allerdings seien Körpermerkmale nicht in beliebiger Anzahl vorhanden, gibt Busch zu bedenken. Was also, wenn ein gespeichertes Muster in die falschen Hände gelangt und nicht mehr verwendbar ist? "Biometrische Merkmale lassen sich im Gegensatz zur Geheimnummer nicht einfach ändern", sagt Busch.
Testparcours mit Hindernissen
Ob biometrische Systeme überhaupt schon zuverlässig und sicher genug sind, untersuchten Forscher des IGD im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): 40 Mitarbeiter des Darmstädter Instituts testeten fast ein Jahr lang zehn verschiedene biometrische Systeme, die in Deutschland erhältlich sind. Einmal eingelernt, absolvierten die Teilnehmer fast täglich den Parcours aus Fingerabdruck- und Handgeometrie-Scanner, Gesichts- und Unterschriftenerkennungs-Systemen, sowie einem Iris-Scanner und einer Kombination für Gesichts-, Stimm- und Lippenbewegungserkennung. Die Ergebnisse sollten im Rahmen des Darmstädter Symposiums vorgestellt werden.
Doch wer genaueres über das Abschneiden der einzelnen Gerätetypen - im Testbetrieb wie bei den Versuchen, sie zu überlisten - erfahren wollte, wurde enttäuscht: Das BSI müsse als Initiator der Studie wettbewerbsneutral bleiben, beteuerte Henning Daum, der mit seinen Kollegen vom IGD an der "Vergleichenden Untersuchung biometrischer Identifikationssysteme" teilgenommen hatte. Nur die Hersteller erhalten konkrete Daten darüber, wie erfolgreich ihre Geräte die Testpersonen erkannten.
Der neue Bart als Problem
Ebenso wenig wollten die IGD-Forscher verraten, ob sich die biometrischen Systeme etwa durch nachgemachte Fingerabdrücke oder Bilder täuschen ließen. Statt dessen nur ein knappes Fazit: Das ideale biometrische Merkmal gibt es nicht. Ein neu gewachsener Bart kann bei der Gesichtserkennung Probleme bereiten, stummen Menschen können sich nicht durch ihre Stimme ausweisen. Unbefriedigend blieben auch die Ergebnisse der begleitenden Befragung der Testnutzer durch Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste (WIK) in Bad Honnef. Aus Mangel an Fakten blieb es meist bei allgemeinen Statements. So beklagte Marco Breitenstein von der Firma secunet, dass die Hersteller angegebene Kenngrößen, wie Fehlerraten und Fälschungssicherheiten, kaum zu vergleichen seien.
"Biomertrie kann den Weg zum gläsernen Menschen beschleunigen", befürchtet zudem Astrid Albrecht von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände - Bedenken, die auch viele der Testnutzer hegen. Ein Grund liegt darin, so Annette Hillerand vom WIK, dass die Funktionsweise der meisten Systeme für den Laien nicht transparent sind. Mark Lockie geht davon aus, dass letztlich die Öffentlichkeit entscheiden wird, welche biometrische Technik sich durchsetzt. "Es mag zwar eine gute Idee sein, einen Fingerabdruck -Scanner ins Mobiltelefon einzubauen", meint Lockie, "aber werden die Kunden das auch annehmen?"