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Liebe auf den zweiten Blick

Frankfurter Allgemeine
13.06.2000

Ein Artikel von Maline Thierolf

Mittelstand entdeckt E-Business - Manager zögern

Ein paar Mausklicke genügen und schon sind die Tickets gebucht, die Bücher, Möbel und Kleidungsstücke bestellt. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen ihre Einkäufe und Banküberweisungen schnell und bequem vom heimischen PC aus erledigen. Der elektronische Handel erschließt weltweit ständig neue Märkte und verheißt enorme Wachstumsraten - auch in Deutschland. Um sich ihren Anteil auf den Handelsplätzen der Zukunft zu sichern, wollen verstärkt auch kleinere und mittlere Unternehmen mit einem Internet-Geschäft in das globale elektronische Geschäft einsteigen.

Konzerttickets online buchen

Allerdings zögern viele Manager in den Chefetagen der Mittelständler noch. Verunsichert von Hackerangriffen, die selbst mächtige Konzerne kurzzeitig lahm legen. "Im Mittelstand besteht noch ein großer Bedarf an Informationen über Chancen und Risiken des Internet-Handels", so Luc Neumann, Geschäftsführer des Multimedia Support Center Hessen (MMSC) in Darmstadt. Doch das MMSC berät nicht nur zu Fragen rund um das Thema Handel und Internet. "Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen sensibilisieren für die immensen Potenziale, die im elektronischen Handel oder allgemein in der Digitalisierung von Geschäftsabläufen jeglicher Art liegen", sagt Neumann

Hat der Unternehmer die Chance für sich erkannt, können gemeinsam die nächsten Schritte geplant werden. Nur mit einer Homepage im Netz vertreten zu sein, genügt nicht, denn der Kunde erwartet vom Kauf via Internet einen Mehrwert. Gefragt sind Produkte und Dienstleistungen, anschaulich und informativ präsentiert, die der Konsument individuell ordern kann und schnell erhält. In Zukunft werden die Kunden Standardprodukte wie Bücher oder Reisen verstärkt über das Internet ordern, beratungsintensive Dienstleistungen wie den Kauf einer Brille aber weiter primär in Fachgeschäften nachfragen.

Das Internet ist konkurenzlos, wenn die Produkte gleich elektronisch übermittelt werden können. Eine Konzertkarte platzgenau zu buchen, digital zu zahlen und als verschlüsselte zweidimensionale Barcodes auf den heimischen PC zu laden und auszudrucken, ist seit Mai in der Darmstädter Centralstation möglich. Der Leiter des Kulturbetriebes, Alexander Marschall, sieht in diesem zusätzlichen Vertriebskanal große Chancen: "Konzertbesucher können sich interaktiv unterstützt im Web die Tickets auswählen und müssen an der Abendkasse nicht mehr Schlangen stehen. Für uns als Veranstalter ist der Imagegewinn hoch und die Kosten vergleichsweise niedrig." Eine besondere Hard- oder Software ist nicht nötig und die Lesepistolen amortisieren sich sehr schnell. Dass dieser Onlinekauf fälschungssicher abläuft, dafür haben die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD) gesorgt. Sie entwickelten ein patentiertes Verfahren, das den zweidimensionalen Barcode mit Mechanismen der digitalen Signatur und kryptographischen Datenübermittlung verknüpft. "Solch betrugssichere Verfahren werden dazu führen, dass Kunden Bahn- und Flugtickets, Konzert-, Theater- und Kinokarten in Zukunft verstärkt über das Internet beziehen - als Papierausdruck oder gespeichert auf einer Chipkarte", so Christoph Busch, Leiter der Abteilung Sicherheitstechnologien für Graphik- und Kommunikationssysteme am Fraunhofer Institut in Darmstadt.

Digitale Schlüssel gegen Datenklau

Sicherheitsbedenken halten viele Unternehmen und Endverbraucher in Deutschland davon ab, in den Geschäftsverkehr via Internet einzusteigen, dies zeigen Studien. Insbesondere das Vertrauen in den Zahlungsverkehr ist gering, wenn Händler und Kunde sich nicht kennen. Zu Recht, denn "das Internet wird für viele Händler und Banken zum Verlustgeschäft, wenn sie Kreditkarten als Zahlungsmittel akzeptieren", berichtet Tilo Schürer von der Bankgesellschaft Berlin. Der Kreditkartenbetrug nehme dramatisch zu. Deshalb fordern Experten, auf sichere Zahlungssysteme mit Zertifizierungskomponenten umzusteigen. Für Christoph Busch vom Fraunhofer Instiut "machen es Sicherheitstechnologien wie die Publiuc Key Kryptosysteme möglich, Daten authentisch und vertraulich zu speichern". Bei dieser Infrastruktur besitzt jeder Teilnehmer ein eigenes Schlüsselpaar: Einen privaten, mit dem er digital signieren und für ihn verschlüsselte Dokumente öffnen kann und einen öffentlichen Schlüssel (Public Key), der frei verteilt werden kann, damit Dritte die eigene digitale Signatur verifizieren können.

Im Wettbewerb mit den EU-Partnern

Diese Sicherheitstechnologie entspricht internationalem Standard, der in Bezug auf die digitale Signatur bereits verbindlich geregelt ist. Die EU-Richtlinie zum Rechtsrahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs tritt voraussichtlich im Juli 2000 in Kraft und wird generelle Regelungen für den Binnenmarkt, beispielsweise zum Vertragsabschluss und zur Haftung der Provider, treffen sowie zur Informationspflicht der Händler bringen. "Was noch aussteht, ist unter anderem eine einheitliche Regelung zur Werbung. Die strengen deutschen Wettbewerbsvorschriften benachteiligen die inländischen Firmen gegenüber Konkurrenten aus Ländern wie Portugal", kommentiert Petra Marwitz, Rechtsanwältin in Frankfurt.

Werden sichere Übergangssysteme eingesetzt, ist das Internet ein höchst attraktiver Marktplatz für kleine und mittelständige Unternehmen: Sie können den Handel mit Kunden und Firmen effizienter gestalten und ohne teure Filialen eine globale Präsenz aufbauen - bis hin zu virtuellen Unternehmensnetzwerken.

Bis 2003 erwartet die EU-Kommission ein Volumen im elektrinischen Geschäftsverkehr allein in Europa von 340 Milliarden Euro. Davon entfallen zirka 85 Prozent auf Transaktionen zwischen Unternehmen - Business-to-Business - rechnet der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft ECO. Nicht nur Zulieferer sind dann dazu gezwungen, ihre gesamten Geschäftsprozesse grundlegend zu verändern, um die erforderliche informationstechnische Verzahnung mit anderen Firmen zu erreichen. Wenn sich Unternehmen nicht heute schon neu strukturieren, werden sie zukünftig im elektronischen Handel mit Endkunden oder Firmen nicht bestehen können.