Darmstädter Echo
01.12.2000
Ein Artikel von Berit Paflit
Fraunhofer Institut entwickelt digitale Wasserzeichen
Das Kerzenlicht bringt es an den Tag: Der Hundertmark-Schein ist falsch.
Sein Wasserzeichen, das eigentlich unsichtbar an einer Seite des Geldscheins
verborgen ist und sich im flackernden Gegenlicht wie Zaubertinte enthüllen
müsste, fehlt. Das unsichtbare Echtheits-Zertifikat hat sich seit Jahrzehnten
bewährt, schützt Dokumente und Geldscheine. Die Wasserzeichen der Zukunft
allerdings werden nicht mehr vom Kerzenschein demaskiert, sondern von
moderner Software. Sie schützen auch keine Geldscheine, sondern digitale
Produkte wie Fotos oder Filmaufnahmen. An einem solchen System zum Verbergen
und Entschlüsseln von Urhebervermerken wird derzeit am Darmstädter Fraunhofer
Institut für grafische Datenverarbeitung gearbeitet.
Die zunehmend elektronische Produktion in Hörfunk, Film und Fernsehen
bietet nämlich nicht nur hohe Qualität, sondern birgt auch Risiken:
Viel leichter als bisher können Fotos, Filmaufnahmen und Musik vervielfältigt
und illegal weiter vertrieben werden. Das Original wird durch die digitale
Technik sozusagen geklont, billig und ohne Qualitätsverlust. Und: Übers
Internet steht ein einfacher, ständig wachsender Verbreitungsweg zur
Verfügung.
Die Verluste für die Wirtschaft sind immens. In der deutschen Musikindustrie
beispielsweise ist, so schätzt der Bundesverband der phonografischen
Wirtschaft, alleine im vergangenen Jahr ein Schaden von 140 Millionen
Mark durch Raubkopien und Internet-Piraterie entstanden.
Ein Verfahren für den Urheberschutz, das die Darmstädter Forscher seit
einiger Zeit entwickeln, heißt "Syscop". Dabei werden unsichtbare, digitale
Wasserzeichen als Zusatzinformationen in den Datenmengen eines Fotos,
eines Musikstücks oder einer Videoaufnahme "versteckt" - durch minimale
Veränderungen in den Frequenzen und für Augen und Ohren des Betrachters
nicht wahrnehmbar. Auch beim Weiterkopieren bleiben die Wasserzeichen
erhalten.
Einen von den Fernsehzuschauern unbemerkten Testlauf hat "Syscop" bereits
hinter sich, berichtet Dr. Christoph Busch, Leiter der Fraunhofer-Abteilung
Sicherheitstechnologie für Grafik und Kommunikationssysteme. Bei der
Fußballweltmeisterschaft vor zwei Jahren in Frankreich war das System
auf seine Funktionsfähigkeit getestet worden. Sofort nach der digitalen
Aufnahme der Fußballspiele war das Datenmaterial mit einem digitalen
Wasserzeichen - etwa dem Namen des Kameramanns oder der Fernsehanstalt
- versehen worden. Dann wurden die Aufnahmen über den Dachverband der
europäischen Fernsehanstalten (EBU) per Satellit an die einzelnen Ländern
verteilt, auch nach Deutschland. Der Testlauf war erfolgreich. Die EBU
entscheide voraussichtlich im kommenden Frühjahr, ob sie das Darmstädter
Verfahren dauerhaft anwenden wird, erzählt Busch.
Doch nicht nur den Fernsehanstalten geht es - angesichts astronomischer
Preise für die Übertragungsrechte von Fußballspielen, Formel-Eins-Rennen
oder hochkarätigen Konzerten - um den Urheberschutz. Auch Künstler,
Musik- und Videoproduktionsfirmen haben Interesse an einem sicheren
Herstellernachweis. Busch erzählt von dem Fall eines freischaffenden
Fotodesigners, der seine digital vertriebenen Bilder plötzlich in einer
Multimedia-Zeitung wiederfand. Das Problem: Wie sollte er stichfest
nachweisen, dass es sich tatsächlich um seine Fotos handelte?
Das in Darmstadt entwickelte Verfahren hat bereits Marktreife erlangt
und wird von einer Ausgründung des Fraunhofer Instituts vertrieben.
Dennoch wird weiter geforscht. Michael Arnold, wissenschaftlicher Mitarbeiter
bei Fraunhofer, sieht Entwicklungspotential vor allem bei der Robustheit
der digitalen Wasserzeichen, also bei ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber
Entfernungsversuchen. Und Arnold sagt auch: "Das ist nur eine Komponente
für die Sicherheit digitaler Daten." Denn Wasserzeichen sind zwar ein
Urheberschutz und damit eine juristische Hilfe. Unerlaubtes Kopieren
aber können sie alleine nicht verhindern.
Mehr dazu unter http://syscop.igd.fhg.de